Dienstag, 6. Januar 2004
Familienbande

Gestern Abend war ich zum Essen bei der Familie eines Freundes eingeladen. Das heißt, eigentlich war ich nicht eingeladen, sondern der Feund bat mich mitzukommen, weil er es alleine mit seiner Familie wohl nicht aushalten konnte. Dabei waren die eigentlich gar nicht so schlimm. Ich hab schon schlimmere Familien gesehen. Der Opa war sogar richtig lustig. Könnte daran gelegen haben, dass er große Teile seines Hirns schon vor Jahren zu Brei gesoffen hat.

Worauf ich aber eigentlich hinaus will: Bei diesem Essen war auch ein ca. 13jähriger Junge anwesend, ich glaube ein Cousin meines Freundes. Der Junge war etwas dicklich, und auch sonst ein absolutes Weichei, kurz: er war so, wie ich auch mit 13.
Immer wenn ich früher auf solchen Familienfesten war, kam irgendwann der Moment, in dem meine Mutter sich über mich beschwerte, weil ich so unordentlich sei, oder so schlecht in der Schule, oder Beides...dann fingen sämtliche Verwandte an, entweder auch auf mir rumzuhacken, oder mir ins Gewissen zu reden. Als pubertierender Junge ist man natürlich nicht sonderlich Zugänglich für Ratschläge, welcher Art auch immer, vor allem nicht, wenn die andere Hälfte der Familie einen gerade runtermacht. Man wird also etwas pampig, und schaltet auf stur. Dann fangen für gewöhnlich auch die ratschlaggebenden Verwandten an, einen rund zu machen, und zwar solange, bis einem fast die Tränen kommen. Familienfeste sind irgendwie Scheisse, wenn man 13 ist, und keine geilen 17jährigen Cousinen anwesend...

Darüber dachte ich also nach, als eine Frau, die Mutter des Jungen, wie sich schon bald herausstellte, sagte : "Mit dem P..., das kann so nicht weitergehen." Was dann folgte, ist oben beschrieben. Ich sagte zunächst gar nichts. Irgendwann sah ich den Jungen an, und merkte, dass er jetzt Moment anfangen würde zu heulen, nahm mir Herz, und wies die versammelte Verwandschaft meines Freundes darauf hin, das diese "Gruppenkeile" wohl eher Kontraproduktiv seien, und dass es wohl besser wäre, das Kind nicht so fertigzumachen, aus eigener Erahrung wüsste ich, dass das nichts bringen würde. Ausserdem sollten die Anwesenden sich doch mal in den Jungen hineinversetzen, wie er sich wohl fühlen würde, wenn jeder an ihm rummeckert.
Ein kurzer Moment der Stille, dann entbrannte eine Diskussion, deren Verlauf ich hier nicht wiedergeben werde. Sie endete in jedem Fall damit, das ich gebeten wurde, die Feier doch besser zu verlassen. Das war das erste mal, dass mir sowas passiert. Deswegen wusste ich auch nicht so recht, was nun zu tun sei. Ich zögerte also. Da stand mein Freund auf, und sagte, dass wir dann jetzt wohl gehen würden. Also gingen wir. Ich schaute mich noch einmal um, und wäre dies eine perfekte Welt, hätte der Junge mich jetzt angelächelt. Hat er aber nicht, er schaute auf seinen Teller, und zeigte keine Erkennbare Regung.

Ich bin mit meinem Freund dann in eine Kneipe, und dort haben wir bis um halb zwei gesoffen.